Himalaya - Wohnsitz des Schnee

Wir stehen auf dem Kala Patthar auf einer Seehöhe von etwa 5650m. Wir blicken auf Gletscher, Eisbrüche und dunkle Wände, die nochmal weitere 3000m in den Himmel ragen.  Es ist ein unbeschreibliches Gefühl im Licht der aufgehenden Sonne  diesen gigantischen Schneebergen so nah zu sein.  

 

Der Anfang

 

Wenn ich zurückdenke war es für mich nie ein sonderliches Bedürfnis im Himalaya unterwegs zu sein.

 

Aber weit oben, über dem Gosautal, auf der Adamekhütte wurde im vergangenen Sommer eine besondere Idee gesponnen. Pemba Tenzing Sherpa gehört zum Hüttenteam. Seinen sechsten Sommer arbeitet er heuer auf der Adamekhütte. Im Mai, Oktober und November begleitet er als Guide Trekkinggruppen im Gebiet um den Everest. Er ist in einem Dorf, einige Tagesmärsche entfernt vom höchsten Berg,  geboren. Pemba in seiner Heimat besuchen,  das wäre doch ein tolles Unterfangen.

 

 

 

Und ich wurde eingeladen mitzukommen. Dieses Angebot, diese hervorragende Möglichkeit,  im Kreise einer kleinen netten Gruppe dann doch mal den hohen und höchsten Bergen dieser Erde gegenüberzustehen, konnte ich nicht ausschlagen.

 

 

 

Pemba wurde mit der Organisation der Tour beauftragt und so starteten wir Anfang Mai zu diesem dreiwöchigen Erlebnis in Nepal.

 

Die Anreise

 

Lukla ist der Ausgangspunkt der Wanderung. Der Flughafen dort zählt zu den gefährlichsten der Welt. Auf und Abwinde, kurze Landebahn auf 2860m. Aufsetzen muss der Pilot direkt hinter der Abbruchkante zu einer 600m tiefen Schlucht und zum Stillstand kommen vor der Felswand  des Berges. Turbulent ist der 20minütige Flug da hinauf und hätte er länger gedauert wäre auch in mir die unterdrückte Panik nicht mehr zu halten gewesen.

 

 

 

In Lukla lebt auch Pembas Frau Pasang. Sie kennen sich schon seit ihrer Schulzeit. Pasangs Eltern haben die Heirat bestimmt. Sie betreibt dort einen kleinen Laden.  Am Ende unserer Wandertour sind wir bei ihr eingeladen. Sie verwöhnt uns mit Momos, das sind köstlich gefüllte Teigtaschen.

 

 

 

Die Höhe

 

Wir wandern weiter hinauf. Höhepunkt der Tour wird das Everest Basislager mit der bunten Zeltstadt und der Aussichtsberg Kala Phattar sein. Aber wie wird es uns am Weg dorthin gehen. Höhenanpassung ist notwendig wenn man sich dauerhaft auf dieser Höhe aufhalten möchte. Eine Faustregel ist etwa nur 300 m am Tag aufzusteigen. Langsam gehen, Pausen machen, etwas höher steigen und wieder abwärts um dort besser zu schlafen. Ziemlich herausfordernd für mich, die ich gewöhnt bin mal schnell 1000 hm vor dem Mittagessen hinauf und wieder hinunterzulaufen. Aber der Körper zeigt die Reaktion auf den verminderten Sauerstoffgehalt in der Luft.

 

 

 

 Jeden Tag besprechen wir unsere Befindlichkeit. Wir geben aufeinander acht. Es könnte passieren das man den Ausbruch der Höhenkrankheit im ungünstigsten Fall gar nicht mehr selber merkt weil man Symptome nicht ernst genommen hat. Mich plagen Kopfschmerzen.  Bin ich trotz allem zu schnell aufgestiegen? Ein Schmerzmittel hilft mir, ich habe gut geschlafen und am Morgen fühle ich mich wieder wohl. Die Medikamententasche war gefüllt mit vielen  Arzneimitteln. Wir haben sie alle nicht gebraucht.

 

 

 

Meine Eindrücke

 

Tagelang unterwegs in einer Region in der es keine Straßen gibt, keine Autos, Motorräder und Fahrräder. Auf Bergpfaden von Dorf zu Dorf,  vorbei an unzähligen Manisteinen . Uralte und neuere gravierte Steinplatten, von Pilgern im Bereich von Tempeln, Stupas aber auch heiligen Orten wie Pässen hinterlassen.“ Om mani padme hum“ dieses Mantra,  soll für das Glück aller fühlenden Wesen mit dem Wind in die Welt hinausgetragen werden. Darum  auch diese vielen bunten Gebetsfahnen. Allgegenwärtig!  Maulesel und Yaks tragen Lasten. Sie bringen Lebensmittel, Baumittel, Dinge des alltäglichen Lebens , das Gepäck der Touristen . Es ist klüger bergseitig stillzustehen wenn diese Tierkaravanen an uns vorbeiziehen. Schwer beladen könnten die dich  vom steilen Weg runterstoßen.

 

 Auch wir lassen einen Großteil unseres Gepäckes tragen. Unsere Träger  entstammen dem Volk der Rai. Gut gelaunt starten sie morgens und sind schon lange vor uns am nächsten Etappenziel.

 

Blühende Rhododendronwälder lassen Berghänge in kaminrot leuchten. Nepals Nationalblume wird 30 Meter hoch. Ihre Blüten schmecken süß und enthalten viel Vitamin C. Eine Paste auf den Blättern soll, auf die Stirn aufgetragen, Kopfweh lindern.  

 

Ich erhaschen Blicke in den Alltag der dort lebenden Menschen, sehe Kinder in Schuluniform nach Hause laufen. Es fühlt sich gut an. Ich spüre die Menschen sind zufrieden.

 

Und die hohen Berge. Je höher wir steigen umso imposanter das Erscheinungsbild. Formschön die Ama Dablam. Dieser Berg wird auch“ Matterhorn des Himalayas“ genannt.

 

Und dann, nach dem Everest Basislager wandern wir in ein anderes Tal, weg von der üblichen Route. Es wird stiller und weniger touristisch. Stundenlang laufen wir über den größten Gletscher der Erde. Das Eis ist mit Schutt bedeckt. Hügel auf Hügel ab. Steinmänner zeigen uns den Weg bei der Überquerung. Der Gletscher ist in Bewegung. Die Wege verändern sich von Jahr zu Jahr.

 

Wir wandern über Hochalmen und vorbei an Kartoffelfeldern. Die Landschaft da oben ist karg. Schneehühner, Bergziegen und  und am Gokyo Ri plötzlich sieben Adler die den Berg heraufschwingen  und über uns kreisen. Ein gewaltiges Schauspiel.  

 

Das Essen

 

 Die Kartoffel ist da oben ein wichtiges Nahrungsmittel und natürlich Reis, auch Gerste,Hirse, Hülsenfrüchte und wenige Gemüsesorten.  Mein Lieblingsessen ist die Nationalspeise“ Dal-bath-tarkari“ Bei Dal handelt es sich um eine aus Linsen und Gewürzen bestehende Suppe. Diese wird mit gekochtem Getreide, bhat – normalerweise Reis  und Gemüsecurry, tarkari, serviert. Zu den Beilagen zählen ein extrem scharfes Chutney oder scharfe Pickles. Diese sind dann mit Vorsicht zu genießen.  Es ist üblich jede Menge Nachschlag zu bekommen und so wird man garantiert satt um für die nächste Etappe genügend Kraft zu haben.

Die Sherpas

 

Besiedelt wurde das Khumbutal vor etwa 400 Jahren von Sherpas aus Tibet. Sherpas sind ein Volkstamm. Durch ihre genetische Veranlagung ist es ihnen möglich in großer Höhe große Leistungen  zu erbringen. Schon bei den ersten Expeditionen im Himalayagebiet haben die Sherpas  Ansehen erlangt.  Sie sind ein stolzes Volk, wissen um ihre Leistungen und haben den Tourismus im Tale selbst im Griff. Ausländische Agenturen brauchen die Unterstützung der Sherpas.

 

 Im Mai wird das Wetterfenster  für die Besteigung des Everest  genutzt. Auch wir hören von den vielen Bergsteigern im  Basislager. Wir sehen die starken Winde im Gipfelbereich, die einen Aufstieg unmöglich machen. Dann die Nachricht Kami Rita Sherpa hat am 15. Mai gemeinsam mit dem Sherpa Team die Fixseile vom Südsattel bis zum Gipfel angebracht. Seine 23. Besteigung. Eine Woche später dann seine 24igste.

Ein Rekord auch die enorme Anzahl von Permits in diesem Jahr. Auch in den nepalesischen Medien wird über die Menschenschlange am Everest berichtet. Kein Wunder, die paar guten Tage im Jahr mit guten  Verhältnissen sind jetzt.

 Uns berührt auch die Geschichte von zwei Sherpanis. Sie wollen den höchsten Berg besteigen. Sponsoren helfen das Geld für das Permit aufzubringen. Sie sind Witwen, haben ihre Männer am Everest verloren. Einer ist in eine Gletscherspalte gestürzt, der andere wurde Opfer der Lawine beim Erdbeben  im Jahr 2015. Sie sind alleinerziehende Mütter, haben es schwer ihre Kinder zu versorgen. Wir treffen sie einige Male am Trekk. Sie bücken sich, sind gut gelaunt, sammeln weggeworfenes Papier und Plastik. Noch vor unserer Heimreise erfahren wir von der erfolgreichen Besteigung. Ich freue mich für sie. Anerkennung bringt bessere Stellung und damit ein besseres Leben für sie.

Ehrfurchtsvoll sitzen wir bei Kanchha Sherpa , dem letzten lebenden Teilnehmer der geschichtsträchtigen Expedition von 1953. Sir Edmund Hillary und Tenzing Norgay haben damals den Berg erstbestiegen. Kanchha ist eine charismatische Persönlichkeit. Viele Bergbegeisterte erbitten ein Treffen. Er empfängt die Menschen und beantwortet ihre Fragen. Ich sitze neben ihm beim Abendessen. Er hebt die Schüssel, hält inne zum Gebet. Ich fühle seine Zufriedenheit, seine Gelassenheit und Ruhe berührt mich. Schön das ich diesen Menschen kennenlernen durfte.

Die Gruppe

 

Beim Gehen haben wir uns noch besser kennengelernt und ich habe viel von diesen Freunden mitgenommen. Hannes hat im vergangenen Jahr seinen Sohn verloren. Er denkt viel an ihn. In einem Kloster holt er sich den Segen eines Lamas. Eine geweihte Schatulle mit persönlichen Dingen seines Jungens läßt er an einem besonderen Ort unter einem Stein zurück. Ich glaube es hat ihm geholfen Abschied zu nehmen.

 

Michaela war als junges Mädchen schon einmal hier. Gemeinsam mit ihrem Vater und ihrer Schwester war sie damals unterwegs. Viel hat sich in diesen zwanzig Jahren verändert. Wie überall, manches zum Besseren und manches zum Schlechten.

 

Für Hans war es die erste große Reise in ein fernes Land. Ich habe erst in Nachhinein verstanden wieviel mehr er diesen  gewaltigen Eindrücken  da gegenüberstand und welche Emotionen in ihm vorgegangen sind.

 

 Wandern hat etwas Meditatives. Gedanken kommen und gehen. Man kann dabei viel aufarbeiten.

 

Und es schweißt zusammen. Wir waren eine tolle Gemeinschaft.

 

Pemba Tenzing Sherpa

 

Mit viel Umsicht und Gefühl hat er uns an  die hohen Berge heran geführt. Alles war bestens organisiert. So eine geführte Tour in der Obhut eines Einheimischen macht Spaß.

 

Er hat es nicht leicht gehabt. Seine Eltern haben sich getrennt als er 6 Jahre alt war. Seine Mutter ist nach Kathmandu gezogen. Es gibt kaum Kontakt zu den Beiden. Aufgewachsen ist er dann im Haus seines Großvaters. Er zeigt es uns. Es wird nicht mehr bewohnt. Früh schon ist er selbständig geworden. Er hat die Universität für Wirtschaft in Kathmandu besucht und das Studium selbst verdient und bezahlt.  Der Buddhismus ist eine Lebensphilosophie nach der er lebt. Er wirkt zufrieden. Seine Söhne , 7 und 12 Jahre alt, gehen in Kathmandu zur Schule und leben dort bei seiner Schwiegermutter und im Internat. Er gibt sich Mühe.  Alle sollen versorgt  sein.

 Wir haben seinen Stolz für dieses Land gespürt und die Hingabe, mit der er uns  seine Heimat gezeigt  hat.